TÜV-Report
Jedes fünfte Nutzfahrzeug fällt durch die HU
Der Trend zu immer weniger Mängeln bei der Hauptuntersuchung aus den vergangenen Jahren hat sich 2020 umgekehrt.
Der TÜV stellt bei Nutzfahrzeugen mehr Mängel fest. Der positive Trend der vergangenen Jahre mit immer weniger Schäden hat sich nach dem am Dienstag veröffentlichten neuen Nutzfahrzeug-Report des Verbands der TÜV (VdTÜV) in den Jahren 2019 und 2020 nicht fortgesetzt. Die Sicherheitsexperten sehen unter anderem einen Zusammenhang mit dem durch die Corona-Pandemie verstärkten Paketboom.
TÜV-Prüfer stellten demnach bei den Hauptuntersuchungen 2019 und 2020 bei fast einem Fünftel (19,6 Prozent) aller Nutzfahrzeuge erhebliche oder gefährliche Mängel fest. Das entspricht einem Plus von 0,3 Prozent. In den Jahren davor war die Quote stetig zurückgegangen. "Wir haben eine Trendumkehr zu verzeichnen", sagte Richard Goebelt, Bereichsleiter Fahrzeug und Mobilität beim TÜV-Verband, der Deutschen Presse-Agentur. "In 18 der 20 von uns abgebildeten Alters- und Gewichtsklassen sind mehr Fahrzeuge durch die Hauptuntersuchung gefallen als noch vor zwei Jahren. Wir bewegen uns leider in die falsche Richtung."
In Deutschland sind über 3,4 Millionen Nutzfahrzeuge zugelassen. Der Großteil davon - knapp 2,9 Millionen - sind Lieferwagen und Kleintransporter bis 3,5 Tonnen Gesamtgewicht. Bei diesen Fahrzeugen war die Mängelquote mit 20,3 Prozent besonders hoch.
Corona und Leasing als Mängeltreiber
Der Zusammenhang mit der Corona-Krise: "Kleintransporter werden besonders in Anspruch genommen", sagte Goebelt. "Die Corona-Pandemie hat einen deutlichen Boom beim Onlinehandel erzeugt. Kurierdienste, die diese Fahrzeuge häufig nutzen, gehen regelmäßig an ihr Limit, dafür werden Wartung, Pflege und maximale Zuladung häufig leger behandelt."
Aber auch der Trend zum Leasing ist nach Ansicht der TÜV-Experten ein Grund für die wachsende Mängelquote. Denn Fahrzeughalter oder Fuhrbetriebe fühlten sich bei einem Leasingfahrzeug, das ihnen nicht gehöre weniger verantwortlich, so Goebelt. Anstatt in regelmäßige Pflege zu investieren, würden die Fahrzeuge am Ende der Leasingzeit, in der Regel nach drei bis fünf Jahren, in schlechtem Zustand zurückgegeben. "Wirtschaftlich macht das vielleicht Sinn, für die Verkehrssicherheit ist es fatal", kommentierte Goebelt.
Besonders hoch ist die Mängelquote aber bei Kleintransportern im Alter von sieben bis acht Jahren. Dort hat mehr als jedes vierte Fahrzeug (27,9 Prozent) die HU nicht bestanden, ein Plus von 2,2 Punkten. Im Schnitt haben die Transporter dann bereits 128.000 Kilometer zurückgelegt. Normale Pkw kommen laut VdTÜV nach sieben Jahren auf eine HU-Durchfallquote von 14,7 Prozent und durchschnittlich 92.000 Kilometer. "Wir haben mit steigendem Fahrzeugalter insbesondere Probleme bei Licht und Öl", sagte Goebelt. "Wir haben auch Verschleiß an den Lenkanlagen, an den Achsaufhängungen, und der naturgemäß harte Betrieb dieser Fahrzeuge macht sich auch an den Bremstrommeln bemerkbar."
Auch schwere Lkw fallen häufiger durch
Für den neuen Nutzfahrzeuge-Report wertete der TÜV-Verband rund 1,95 Millionen Hauptuntersuchungen aus. Mehr Mängel gab es nicht nur bei Kleintransportern, sondern auch in mehreren anderen Nutzfahrzeugklassen. Am schlechtesten bei den größeren Fahrzeugen schnitten schwere Lkw ab 18 Tonnen mit 19,9 Prozent Mängelquote ab (plus 0,2 Prozent).
Erstmals in die Statistik aufgenommen wurden Fahrzeuge mit "gefährlichen Mängeln". Laut Nutzfahrzeug-Report waren es 10.000 Fahrzeuge, die wegen zerschlissener Bremsscheiben, stark abgefahrener Reifen oder anderer schwerer Mängel sofort in die Werkstatt gebracht werden mussten. Weitere rund 1.300 Nutzfahrzeuge wurden als "verkehrsunsicher" eingestuft und deswegen sofort aus dem Verkehr gezogen. Das ist der Fall, wenn zum Beispiel das Fahrgestell durchgerostet ist oder sicherheitsrelevante Komponenten wie Bremsen oder die Lenkung nicht mehr oder kaum noch funktionieren.
Wegen der fortschreitenden Technisierung der Nutzfahrzeuge plädiert der TÜV für eine Erweiterung der Prüfungen. "Für uns ist es ganz wichtig, dass die Überprüfung der Fahrerassistenzsysteme in die Hauptuntersuchung mit aufgenommen wird", sagte Goebelt. "Da sollte grundsätzlich erfasst werden die Prüfung der aktuellen Software-Version. Hardware-Kalibrierung ist ein wichtiger Punkt, Systemstatus, Verglasungen, Sensoren, der Fahrmodusspeicher. Assistenzsysteme helfen nur dann, die Mobilität sicherer zu machen, wenn sie auch wirklich funktionieren." (aw)
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(Foto: TÜV SÜD)
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