Senioren im Straßenverkehr
Prävention angesagt
Ältere Autofahrer sind in Deutschland nicht häufiger in Unfälle verwickelt als der Durchschnitt der Pkw-Lenker.
Unsere Gesellschaft wird immer älter, und Mobilität bleibt bis ins hohe Alter ein Grundbedürfnis. Die gute Nachricht: ältere Autofahrer sind in Deutschland nicht häufiger in Unfälle verwickelt als der Durchschnitt der Pkw-Lenker, ihre Unfallrate ist zudem deutlich niedriger als die der jungen Fahrer. Wurden 2011 von 18- bis 24-jährigen Fahrern 16,4 Prozent aller Unfälle mit Personenschaden verursacht, so zeichnet die Gruppe der über 65-Jährigen für lediglich 9,7 Prozent der Unfälle verantwortlich. Werden die Kfz-Unfälle jedoch mit noch älteren Fahrzeuglenkern über 75 Jahre verglichen, so zeigt sich, dass bei mehr als drei Viertel der Unfälle die Senioren die Hauptverursacher des Schadensfalles waren. Zudem hatten die Senioren 2011 laut dem Statistischen Bundesamt mit 1.044 Toten oder 26,4 Prozent den größten Anteil an den insgesamt 4.009 im Straßenverkehr getöteten Personen.
Durch alternde Autofahrer verursachte Unfälle sind oft auf ein Fehlverhalten in komplexen Fahrsituationen, zum Beispiel an Kreuzungen, zurückzuführen, weiß Wolfgang Fastenmeier, Professor für Psychologie des Verkehrswesens an der Psychologischen Hochschule Berlin. Typische Fehler sind mangelnde Aufmerksamkeit beim Abbiegen, insbesondere gegenüber Fußgängern und Radfahrern, Vorfahrtsmissachtungen und Spurfehler, die zum Abkommen von der Fahrbahn und dadurch zu Zusammenstößen mit entgegenkommenden Fahrzeugen führen. Pkw-Lenker, die weniger als 3.000 Kilometer pro Jahr mit dem Auto unterwegs sind - und dazu gehören sehr viele ältere Menschen - haben außerdem ein erhöhtes Unfallrisiko aufgrund mangelnder Fahrpraxis. Unbestritten ist, dass sich Sehen und Hören im Alter verschlechterten, die Beweglichkeit und Kraft des Körpers abnehmen und Informationen nicht mehr so schnell wie bei jüngeren Menschen verarbeitet werden können.
Keinesfalls rechtfertigten die individuellen Auffälligkeiten älterer Fahrer aber generelle Pflichtuntersuchungen oder Sonderüberprüfungen für über 65-jährige Pkw-Lenker, sagt Fastenmeier. Stattdessen sind präventive Beratungs- und Trainingsangebote empfehlenswert. Die Fahrkompetenz älterer Fahrer lässt sich beispielsweise signifikant verbessern, wenn die Senioren ein mehrstündiges Fahrtraining mit einem kompetenten Fahrlehrer absolvieren, hat eine Studie des Leibniz-Institutes für Arbeitsforschung an der TU Dortmund unter Leitung von Sebastian Poschadel ermittelt. Alle untersuchten Probanden - 92 ältere Fahrer und Fahrerinnen über 70 Jahre - hatten nach dem Training das Leistungsniveau einer Referenzgruppe untrainierter Fahrer zwischen 40 Jahren und 50 Jahren erreicht. Dabei erzielten die Fahrer umso größere Verbesserungen, je schwächer ihre Fahrleistungen vor dem Training gewesen waren.
Auch der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) setzt auf Prävention und Freiwilligkeit. Mit seiner im Herbst 2012 gestarteten "Aktion Schulterblick. Bewusst und sicher mobil" will die Institution ältere Verkehrsteilnehmer für die Notwendigkeit freiwilliger Gesundheitschecks sensibilisieren. In der Broschüre "Fit und Auto-mobil" können ältere Fahrer ihre Auto-Mobilität testen und erhalten Informationen zu Seminarangeboten speziell für ältere Verkehrsteilnehmer.
Auch moderne Fahrassistenzsysteme leisten einen wichtigen Beitrag zur Verkehrssicherheit älterer Menschen. Zur Verringerung von Seniorenunfällen sind vor allem autonom arbeitende Systeme, die wenig Übung oder Bedienaufwand erforderten, besonders wirksam, betont Klaus Rompe, Professor am Institut fsd Fahrzeugsystemdaten in Dresden. Notbremssysteme mit selbstständiger Vollbremsung bei drohender Kollision, City-Notbremssysteme, Spurhalte- und Tot-Winkel-Assistenten sind besonders dazu geeignet, Unfälle von älteren Menschen zu reduzieren beziehungsweise ihre Schwere zu verringern. Ein Kreuzungs-Assistent, der den Fahrer bei sichtbarem Querverkehr warnt und ihm Bremsunterstützung bietet, könnte bis zu 27 Prozent aller Kreuzungs-Unfälle vermeiden, hat Rompe ermittelt.
Um die Mobilität älterer Menschen im Straßenverkehr - nicht nur im eigenen Auto - so lange wie möglich zu erhalten, sind weitreichende Maßnahmen in Verkehrs- und Infrastruktur notwendig, sind sich die Experten einig. Dazu gehören neben einer seniorengerechten Stadtplanung mit gutem Zugang zu Einrichtungen der Grundversorgung auch bezahlbare, gut ausgebaute Verkehrsmittel und eine verbesserte Anbindung an den ÖPNV, besonders in ländlichen Gebieten. (mid/goer)
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