Porsche Elektronik
Austüfteln, Einbetten, Ausprobieren
Doppelkupplungsgetriebe, Hinterachslenkung oder sogar dynamische Motorlager werden von Steuergeräten beaufsichtigt.
Früher waren elektronische Systeme im Sportwagen verpönt, kaschierten sie doch unter Umständen das Können des Lenkers. Heute gilt: je mehr elektronische Helfer in einem Sportwagen arbeiten, desto schneller, sicherer und komfortabler fährt er. Doppelkupplungsgetriebe, Hinterachslenkung oder sogar dynamische Motorlager werden von Steuergeräten beaufsichtigt, sie geben die Befehle und setzen die Aktuatoren in Marsch, wenn es die Fahrsituation verlangt.
Porsche hat ein neues, eben in Betrieb genommenes Forschungszentrum eingerichtet, in dem einzelne Expertenteams elektrische und elektronische Maßnahmen entwickeln und im Gesamtkonzept Automobil einbetten und ausprobieren. Der Schritt war notwendig. Gab es in einem 911 Carrera von 1997 lediglich sechs Steuergeräte, so stieg deren Zahl in den nachfolgenden Jahren deutlich. Bereits 2004 fanden sich 29 einzelne Rechner an Bord, die wesentliche Funktionen überwachten. Heute sind es mehr als doppelt so viele. Auch der Datenfluss erhöhte sich mit der Umstellung von der CAN-Bus-Technik auf Lichtleiterkabel und das MOST-System (Media Optical System Transport) von 500 Kilo-Bits auf gewaltige 25 Mega-Bits in der Sekunde. Das entspricht einer Steigerung um das 50-fache. Weitere, noch schnellere Datenübertragungen sind in Vorbereitung, FlexRay (mit dem BMW bereits den X5 ausgestattet hat) oder Systeme wie canFD und PLC sind in der Erprobung.
Damit die einzelnen Komponenten störungsfrei kooperieren, dabei Hand in Hand zusammen arbeiten, ist eine eigene Forschungsabteilung offenbar unumgänglich. Für gesteigerte Treibstoffökonomie beauftragt die Elektronik das Doppelkupplungsgetriebe auf Wunsch mit den passenden Schaltanweisungen, die aktiven Motorlager erhalten Befehle, entweder die Vibrationen so weit wie möglich zu senken oder die Karosseriesteifigkeit bei sportlicher Fahrt zu erhöhen. Und ganz im Sinn der Porsche-Tradition greift die aktive Hinterachslenkung ein, wenn es besonders eilig um die Kurven gehen soll. Auf der Nürburgring-Nordschleife verbessere das elektromechanische System die Rundenzeiten um satte drei Sekunden, heißt es.
Der elektronische Zündschlüssel
Selbst kleinste Bauteile haben im Lauf der Jahre eine Entwicklung erfahren und übernehmen heute weit mehr Aufgaben als ihnen ursprünglich zugedacht war. Ein Zündschlüssel des ersten Carrera von 1964 etwa wog eben mal elf Gramm und hatte keine andere Aufgaben als die Türen und das Zündschloss zu entriegeln, damit der Motor gestartet werden konnte. Heute hat ein elektronischer Schlüssel, wie er im neuen Elfer, im Panamera oder Cayenne eingesetzt wird, wesentlich mehr Arbeit. Sein komplexes Innenleben von Schaltkreisen, Speichern und Antennen längst nicht mehr nur für das elektromechanische Aufsperren der Schlösser gut, er speichert zudem für den Service maßgebliche Daten, so auch den Kilometerstand beim Verlassen des Fahrzeugs. Die heute ohnehin schon deutlich schwierigere Manipulation eines Kilometerzählers wird dadurch nahezu unmöglich. Er bewahrt zudem die individuellen Einstellungen seines Besitzers und gibt beim Einstieg die entsprechenden Anweisungen, Sitzposition, Klimatisierung oder die Navigationsparameter entsprechend den vorherigen Fahrerwünschen einzustellen.
Telematik erweitert Funktionsvielfalt
Telematische Komponenten erweitern die Funktionsvielfalt im Automobil obendrein. Steht die Verbindung mit dem Internet, gibt das Auto künftig eventuelle Fehlermeldungen der einzelnen Systeme an die Werkstatt weiter, die sich schon im Vorfeld des Kundenbesuchs auf schnelle Hilfe vorbereiten kann. Das verkürzt den Werkstattaufenthalt und senkt die Kosten. In umgekehrter Richtung kann der Wagen ebenfalls konditioniert werden. Bei einem Plug-In-Hybrid wie dem Panamera etwa lässt sich die Klimatisierung schon vor Fahrtbeginn anstellen, wenn der Wagen noch an der Ladestation hängt. Das schont die Batterie und empfängt die Passagiere bereits bei Fahrtantritt mit angenehmen Innenraumtemperaturen.
Besonders für Amerika habe man außerdem eine App für restriktives Fahren entwickelt. Dort, wo die meisten Restaurants einen Parkdienst anbieten, kam es hin und wieder zu kleinen, aber dennoch unerlaubten Spritztouren des Fahrpersonals. Besonders mit leistungsstarken Autos drehte man erst noch eine Runde über den Highway, bevor es den Weg in die Garage fand. Hiergegen gibt es nun zwei Barrieren, Geo Fence und Speed Fence genannt. Erstere meldet dem Fahrer, wenn sein Auto einen definierten Umkreis verlässt, die andere, wenn eine bestimmte Geschwindigkeit überschritten wird. Im gnädigsten Fall muss der Parkservice-Fahrer dann auf sein Trinkgeld verzichten.
Rund 500 Ingenieure und Entwickler arbeiten heute im Porsche Elektronik-Integrationszentrum in Weissach. Auf fünf Stockwerken und 17.200 Quadratmeter finden ihre Labors, Büros und Werkstätten Platz. Dennoch könnte schon bald wieder Raumnot herrschen, so schnell nehmen die Bedeutung von mechatronischen Komponenten und die Flut der Datenströme im Automobil zu. (sp-x)
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(Foto: Porsche)
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