Alkohol am Steuer
Experte kritisiert Kontrolldichte
Alkohol am Steuer ist der Grund für unzählige Verkehrsunfälle in Deutschland. Dennoch nehmen die Kontrollen von Autofahrern seit Jahren ab.
Jeder elfte Verkehrstote in Deutschland fällt einem Alkohol-Unfall zum Opfer. Bei knapp jedem zwanzigsten Unfall mit Personenschaden wird Alkoholeinfluss als Ursache festgestellt, schlägt der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) Alarm. Welche Hindernisse es immer noch auf dem Weg zur "Vision Zero" mit null Verkehrstoten gibt, darüber diskutierten jetzt Experten bei einem DVR-Seminar.
Auf eine seiner Meinung nach dringend notwendige Änderung der gesetzlichen Bestimmungen im Zusammenhang mit Alkoholfahrten machte Thomas Kaufmann von der Uni Mainz aufmerksam. Er registriert in Rheinland-Pfalz beispielhaft für ganz Deutschland eine ständig sinkende Zahl von Alkoholkontrollen. Aktuell würde nur noch halb soviel kontrolliert wie in den 1990er Jahren. Der Grund, so Kaufmann: Die Polizei scheue den Aufwand, mitten in der Nacht einen Richter für die Anordnung einer Blutprobe auftreiben zu müssen, wenn ein als Alkoholsünder verdächtiger Autofahrer diese verweigert. Kaufmann: "Das kann nicht im Sinne der Verkehrssicherheit sein." Dieser so genannte "Richtervorbehalt" müsse aus dem einschlägigen Paragraphenwerk der Strafgesetzordnung "zwingend weg".
Der stellvertretende Leiter der Untersuchungsstelle für Blutalkohol an der Uni Mainz hält auch die seit 2001 geltende 0,5 Promille-Grenze für Auto- und Motorradfahrer nicht für der Weisheit letzten Schluss. "Eine Herabsetzung ist durchaus sinnvoll", so Kaufmann bei der DVR-Tagung. Unter anderem, weil das Verkehrsgeschehen immer komplexer werde und die Anforderungen an die Verkehrsteilnehmer ständig stiegen.
Auffällig angesichts einer oft beklagten EU-Normierungswut: Europaweit gibt es keine gemeinsame Regelung für Alkoholgrenzwerte. Sie liegen zwischen null und 0,8 Promille, die Geldstrafen für Ersttäter differieren zwischen 100 Euro und deutlich über 1 000 Euro. Die Tendenz bei den Alkoholunfällen ist generell rückläufig. In Deutschland sind rund neun Prozent der Verkehrstoten auf alkoholbedingte Unfälle zurückzuführen. Europaweit sind es zwischen 19 Prozent und 28 Prozent, so Schätzungen der Europäischen Kommission. Gerade in Ländern wie Belgien oder Italien hat DVR-Referentin Jaqueline Lacroix einen eher lässigen Umgang mit dem brisanten Thema festgestellt. Dabei hält eine massive Mehrheit der Autofahrer in ganz Europa bei Umfragen das Thema Alkohol im Straßenverkehr für besonders wichtig und die Kontrolldichte für viel zu niedrig. "Das Problembewusstsein ist sehr gestiegen", so Lacroix. "Aber erschreckenderweise gibt es immer noch Länder, in denen die Autofahrer glauben, dass sie in alkoholisiertem Zustand noch fahren können."
Maximal null bis 0,8 Promille am Steuer in Europa, darüber können alkoholisierte Radfahrer nur mitleidig schmunzeln: 1,6 Promille am Lenker gelten derzeit als Grenze für die absolute Fahruntüchtigkeit im Radverkehr. Roland Huhn vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) hält diese Zahl für viel zu hoch. Er schlägt eine Grenze von 1,1 Promille vor. Unterschiedliche Werte seien berechtigt, weil Rad- und Autofahren auch unterschiedliche Anforderungen stelle, so der Experte. Die Selbstgefährdung stehe bei den Radlern eindeutig an erster Stelle. Auffallend: Ein sehr hoher Anteil betrunken verunglückter Radfahrer war mit Werten um die 2,5 Promille Alkohol im Blut unterwegs. "Die 1,1-Promille-Grenze hat das Potenzial, jedes Jahr mehrere hundert Radler vor Unfällen mit Verletzungen und Tod zu bewahren", ist Huhn überzeugt. Sein Vorschlag wird unter anderem von DVR und ADAC unterstützt. (mid/rhu)
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(Foto: HUK Coburg)
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